Der BGH hatte einen in der Praxis eines Versicherungsmaklers alltäglichen Sachverhalt zu entscheiden gehabt, wobei der beklagte Versicherungsmakler zuvor in der Berufungsinstanz vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht verurteilt wurde.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.03.2014, Az. IV ZR 422/12
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23.10.2012, Az. 11 U 90/10
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Achtung Spoiler:
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Brandenburgischen OLG aufgehoben.
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Das geht aus einer Reihe von Besprechungen und Erwähnungen des BGH-Urteils nicht klar hervor.
Der Versicherungsbote setzt sogar das BGH-Urteil zu dem des OLG mit der Anmerkung „Dem stimmte nun auch der Bundesgerichtshof zu“ ins Verhältnis.
Das ist nun leider nicht zutreffend. Vielmehr sah der BGH inhaltlich so manches anders als das OLG, weshalb sein Urteil ein wahrer Bedingungskrimi ist: Haftet er nun oder haftet er nicht?
In zwei Punkten ist der BGH mit der Vorinstanz aber einig:
– Eine Feststellungsklage auf Quasi-Deckung ist zulässig.
– Der Versicherungsmakler hat eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen.
Der Bundesgerichtshof kann im Gegensatz zum OLG keinen durch die Pflichtverletzung eingetretenen Schaden bejahen.
Der Versicherungsmakler haftet nämlich trotz Pflichtverletzung nämlich dann nicht, wenn der Ofensetzer so oder so für die schädigenden Fliesenarbeiten keinen Versicherungsschutz gehabt hätte.
Die Überlegungen, die der BGH hierzu anstellt, wollen wir uns einmal näher betrachten.
1. Liegt das „Schadensereignis“ im Sinne der Ziff. 1.1 AHB in versicherter Zeit und warum?
Die Regelung lautet z.B. wie folgt:
„Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.“
Als Schadensereignisse im Sinne der Regelung kommen in Betracht:
a) Der Zeitpunkt der Ausführung der Fliesen- und Abdichtungsarbeiten,
b) die Abnahme der angeblich fehlerhaften Arbeit,
c) die Inbetriebnahme des Pumpensumpfes,
d) der tatsächlich stattfindende Wasseraustritt.
BGH und OLG sehen in dem Wasseraustritt das maßgebliche Schadensereignis.
So weit, so gut.
Sie tun dies aber mit völlig unterschiedlichen Begründungen.
Für das OLG ist es der Wasseraustritt im November 2009, weil die betreffende Regelung intransparent und deshalb auf den dem Versicherungsnehmer günstigsten Zeitpunkt als den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abzustellen sei.
Nach dem BGH ist die Definition des Versicherungsfalles in den AHB aber weder wegen Intransparenz unwirksam noch unklar, die Regelung in 1.1 AHB kann als essentieller Regelungsinhalt nämlich gar nicht unwirksam sein, sondern muss nur richtig ausgelegt werden:
„Die letzte Tatsache, die den Schaden an den Sachen des Auftraggebers ausgelöst hat, ist jedoch erst der Austritt des Wassers selbst. Erst für diesen Umstand wird der Kläger hier von seinem Auftraggeber haftbar gemacht.“
Auch wenn der Ofensetzer (=Kläger) die Fliesenarbeiten bereits Monate vor Versicherungsbeginn beendete, so lag das maßgebliche Schadensereignis also doch in versicherter Zeit.
2. Ist eine Deckung nach Ziff. 7.14 AHB ausgeschlossen?
Die Regelung lautet z.B.:
„Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen:
7.14 Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch
(1) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt,…“
Der BGH meint hierzu:
„Das Berufungsgericht hat ein Eingreifen der Ausschlussklausel in Ziffer 7.14 (1) AHB zu Unrecht abgelehnt.“
Das OLG ging nämlich davon aus, dass der Ausschluss nur greife, wenn der Versicherungsnehmer oder ein Dritter, für den er einzustehen habe, selbst die Abwässer abgeleite oder wenigstens ihre Ableitung veranlasst habe.
Dieser Auffassung hat der BGH eine klare Absage erteilt:
„Der Ausschlussgrund ist damit objektiver Natur und unabhängig davon, auf wessen Handeln die Ableitung dieser Abwässer zurückgeht.“
Also ist der Versicherungsmakler nun fein raus? Immerhin greift ja der Ausschluss der Ziff. 7.14 AHB und der Ofensetzer hätte keinen Versicherungsschutz gehabt.
Weit gefehlt.
3. Sind Haftpflichtansprüche durch Abwässer wieder eingeschlossen?
In der Tat sind in den vereinbarten „Besondere(n) Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung für Betriebe des Baunebengewerbes“ unter Ziff. II.3.3. Haftpflichtansprüche, die durch Abwässer entstehen wieder eingeschlossen.
In Ziff. II.3.3 heißt es dazu unter anderem wie folgt:
„… Mitversichert sind – in teilweiser Abweichung von … Ziff. 7.14 (1), (3) und (4) AHB – Haftpflichtansprüche aus Sachschaden, der entsteht durch 3.3.1 Abwässer (…),…“
Oder doch nicht?
4. Greift gegenüber dem Wiedereinschluss der Haftpflichteinsprüche eine Rückausnahme?
In Ziff. II.3.3 heißt es nämlich auch:
„…mit Ausnahme von Schäden aus Abwasseranlagen des Versicherungsnehmers, aus Planung, Herstellung, Lieferung, Montage und Wartung von Abwasseranlagen oder Teilen, die ersichtlich für Abwasseranlagen bestimmt sind …“
Oh je, oh je! Ihr ahnt es bestimmt schon. Der BGH stellt eiskalt fest:
„Die Herstellung der Abdichtung eines Pumpensumpfes, in den Abwässer aus einer Dialysepraxis fließen, wird von dieser Rückausnahme erfasst.“
Puh, jetzt ist es also aus: Keine Quasi-Deckung wegen der vermaledeiten Rückausnahme.
Moooment mal. Einen haben wir noch.
5. Hätte der Versicherungsmakler denn einen Tarif ohne die Rückausnahme finden können?
Immerhin hat der Versicherungsmakler im Rahmen der sachgerechten Risikoprüfung auch die Bedingungen der von ihm empfohlenen Versicherung in den Blick zu nehmen, insbesondere soweit diese von anderen marktüblichen Bedingungen abweichen.
Der BGH schaut deshalb in den „Tarif I: Industrie, Handel und Gewerbe“ des Mustertarifs 2007″, wonach „gemäß Ziff. 1.2 lit. b) Haftpflichtansprüche aus Sachschaden durch Abwässer für das Baunebengewerbe – darunter fallen nach Ziffer 1.2.5 Ofenbauer ebenso wie Fliesenleger – in Abweichung von Ziffer 7.14 (1) AHB ohne die hier vereinbarte Rückausnahme eingeschlossen“ sind.
Es muss ihn also doch geben. Den Tarif ohne Rückausnahme.
6. Hätte der Versicherungsmakler das alles erkennen können?
Tja, genau darauf kommt es nun in einer neuen Verhandlung vor dem OLG an, denn mit diesen Fragen hat sich das OLG ja gar nicht befasst.
„Es kommt deshalb darauf an, ob der Beklagte bei gehöriger Nachfrage zu den vom Kläger konkret ausgeübten Tätigkeiten hätte erkennen können, dass der eingeschränkte Wiedereinschluss nicht genügte, weil der Kläger auch Arbeiten an einer Anlage vorgenommen hatte, in die Abwässer abgeleitet wurden.“
Jeder Versicherungsmakler kann sich jetzt überlegen, was er unter „gehöriger Nachfrage“ zu verstehen glaubt. Der Fleißige schnappt sich jetzt die Bedingungswerke seiner Lieblings-Sachversicherer und schaut nach, wie es dort für diesen Fall um Ausschluss, Einschluss und Rückausnahme bestellt ist.
Gefühlt kommt jedenfalls kein Vermittler mehr ohne detaillierte Fragebögen, Checklisten oder Spezialsoftware aus, um solche Bedingungskrimis in den Griff zu bekommen. Ob die Mühe in der Praxis dann den Kunden schmeckt? Ob das für den Versicherungsmakler lohnt? Vor allem wenn solche Geschichten so beginnen:
„Er habe am 23.06.2009 von der F AG ein Schreiben mit der Bezeichnung „Vorschlag Gewerbe-Police“ erhalten, das er zeitnah per Telefaxschreiben an den Beklagten mit der Bitte um ein günstiges Angebot weiter geleitet habe.“ (aus dem Urteil des OLG)?
Das bleibt erst mal offen.
Ihr,
Michael Hilpüsch
-Rechtsanwalt –
awoka versicherungsblog
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