Sind Riesterverträge in der Regel pfändbar? Das Landgericht Aachen meint „Nein“


Seit einem Urteil des Amtsgerichts München (vom 12.12.2011, Az. 273 C 8790/11)  wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass angespartes Riestervermögen pfändbar sei. Besonders Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm betonen in ihrem Beitrag „Riester-Verträge sind in der Regel pfändbar“ vom 24.09.2014, dass Finanzhäuser, Banken und Versicherungen diesen Umstand nicht berücksichtigen und mit der gegenteiligen Aussage Werbung betrieben.

Allerdings übersehen die Autoren ein Urteil des Landgerichts Aachen (Urteil vom 8.4.2014, Az. 3 S 76/13), dass die betreffende Rechtsfrage nun anders, und zwar im Sinne des Riestersparers, entschieden hat.

M.E. ist die Begründung des Landgerichts Aachen einleuchtender, als die des Amtsgerichts München, das eingezahltes Altersvermögen nur dann als „gefördertes Altersvorsorgevermögen“ i.S.d. § 97 EStG ansieht, wenn die Zulagenförderung tatsächlich erfolgt ist. Das Merkmal der „Pfändbarkeit“ wird dabei nämlich von Faktoren abhängig gemacht,  die maßgeblich im Einflussbereich des Anbieters und der Zulagenstelle liegen. Ein Abgrenzungskriterium, dass schwerlich mit dem grundlegenden gesetzgeberischen Willen der Privilegierung von Riestervermögen in Einklang zu bringen ist.

Hier die Begründung des Landgerichts Aachen:

„Das von der Insolvenzschuldnerin auf den Riester-Vertrag angesparte Vermögen ist „gefördertes Altersvorsorgevermögen“ i.S.d. § 97 EStG. Auch wenn der Wortlaut des § 97 EStG nicht eindeutig ist, so sprechen sowohl die Systematik des Gesetzes als auch Sinn und Zweck der Regelung dafür, dass sich der Pfändungsschutz auch auf Kapital bezieht, dass förderungswürdig ist, aber (noch) nicht gefördert wurde. So definiert § 82 EStG, was „geförderte Altersversorgungsbeiträge“ sind. § 82 EStG bestimmt, dass geförderte Altersvorsorgebeiträge im Rahmen des in § 10a Absatz 1 Satz 1 genannten Höchstbetrags Beiträge und Tilgungsleistungen sind, die der Zulageberechtigte bis zum Beginn der Auszahlungsphase zugunsten eines auf seinen Namen lautenden Vertrags leistet, der nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert ist (Altersvorsorgevertrag). Danach kommt es hinsichtlich der Beiträge nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht darauf an, ob Beiträge tatsächlich gefördert wurden, sondern allein darauf, ob sie auf einen Altersvorsorgevertrag geleistet werden. Dies spricht dafür, auch hinsichtlich des Altersvorsorgevermögens auf die Förderungswürdigkeit abzustellen. Denn ein Grund zwischen laufenden Beiträgen und dem angesparten Vermögen zu differenzieren ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu auch das von der Beklagten vorgelegte Urteil des AG Stuttgart vom 06.09.2012, nicht veröffentlicht, Bl. 100 d.A.; anders AG München, Urteil vom 12.12.2011 – 273 C 8790/11). Eine am Gesetzeszusammenhang orientierte Auslegung spricht daher dafür, dass soweit i.S.d. § 82 EStG geförderte Beiträge angespart wurden, das hieraus gewonnene Vermögen ebenfalls gefördertes Vermögen i.S.d. § 97 EStG ist. Waren die Beiträge hingegen keine geförderten Beiträge i.S.d. § 82 EStG – etwa weil sie oberhalb der Höchstgrenze lagen – so wird hieraus auch kein gefördertes Vermögen gebildet. Dieses Vermögen ist pfändbar (vgl. hierzu auch Lindberg, in: Blümich, EStG, 121. Aufl., § 97 Rn. 2). Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes spricht dafür, dass Beiträge, die auf einen Altersvorsorgevertrag geleistet wurden, und unterhalb der förderungswürdigen Höchstgrenze liegen dem Pfändungsschutz unterliegen. Denn Ziel des Gesetzgebers war es, Anreize für eine private Altersvorsorge zu schaffen. Aufgrund der bestehenden Höchstgrenze für die Förderungswürdigkeit werden Gläubiger auch nicht unangemessen benachteiligt.“

Es scheint übrigens auch noch eine Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgarts vom 06.09.2012 zu geben, die ebenfalls von einer Unpfändbarkeit ausgeht. Leider war auch beim LG Aachen ein Aktenzeichen nicht bekannt. Wer mir hier sachdienliche Hinweise geben kann, wird beim nächsten Mal lobend erwähnt.

Ihr,

Michael Hilpüsch
-Rechtsanwalt –

awoka versicherungsblog
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