Volltext: Urteil des OLG Köln vom 11.11.2016 (Az. 6 U 176/16) zum Provisionsabgabeverbot


Urteil des OLG Köln vom 11.11.2016 (Az. 6 U 176/16) zum Provisionsabgabeverbot


OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit …des Herrn …

Klägers und Berufungsklägers,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Hilpüsch in Mössingen –

gegen

die Fa. …,

Beklagte und Berufungsbeklagte, –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt … –

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21.10.2016 durch seine Mitglieder …für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14.10.2015 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 0 65/15 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind miteinander konkurrierende Versicherungsmakler. Die Beklagte bietet über das Internet die Übernahme der Betreuung von bereits bestehenden Versicherungsverträgen an, bei der sie dann an den Kunden 50 % der Vergütungen, insbesondere der Bestandsprovisionen, auszahlt, die sie von den Versicherungsunternehmen zukünftig erhält. In ihren AGB hat die Beklagte Regelungen zum Verzicht auf Beratung und Ausschluss der Haftung aufgenommen.

Der Kläger hat in der Weitergabe der hälftigen Vergütung an den Kunden einen Verstoß gegen das sog. „Provisionsabgabeverbot“ gesehen und die AGB der Beklagten für unwirksam gehalten. Er hat nach erfolgloser Abmahnung die Beklagte zuletzt auf Unterlassung der Verwendung der AGB, Unterlassung der Gewährung einer Sondervergütung und Kostenerstattung in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat ihre AGB verteidigt und im Übrigen die Ansicht vertreten, dass das „Provisionsabgabeverbot“ zu unbestimmt und verfassungswidrig sei.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 14.10.2016, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung bezüglich der Verwendung der AGB und Zahlung der insoweit angefallenen Abmahnkosten verurteilt. Im Übrigen hat es unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des VG Frankfurt zur verfassungsrechtlichen Unwirksamkeit des „Provisionsabgabeverbots“ die Klage abgewiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger weiterhin die Unterlassungsklage wegen des Verstoßes gegen das seiner Ansicht nach wirksame „Provisionsabgabeverbot“. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem VG Frankfurt nur die Sondervergütung für den Bereich Lebensversicherung gewesen sei, und dass das VG Frankfurt dabei auch nur ganz konkret zu prüfen gehabt habe, ob ein Rabatt auf den Ausgabeaufschlag der fondspezifischen Kosten eine solche Sondervergütung darstelle. Das vorliegende Verfahren betreffe demgegenüber die Abgabe von Teilen der Bestandsprovision in allen Versicherungssparten. Außerdem hätten das Landgericht und das VG Frankfurt verkannt, dass bei der Auslegung des Begriffs der Sondervergütung neben der langjährigen Konkretisierung durch die Rechtsprechung die Definition in § 1 Abs. 2 der Rechtsverordnung vom 17.08.1982 über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen in der Schadensversicherung heranzuziehen sei.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Androhung eines Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 €‚ ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu verhängen gegen die Geschäftsführer der Beklagten, künftig

als geschäftliche Handlung bei der Tätigkeit als Versicherungsvermittlerin zu unterlassen, an Versicherungsnehmer in irgendeiner Form Sondervergütungen zu gewähren oder eine solche Abgabe Interessenten, Kunden oder Mitgliedern in Aussicht zu stellen, insbesondere für den Fall, dass diese die Beklagte mit der Verwaltung und Betreuung von Versicherungsverträgen betrauen, einen Teil, gleich in welcher Höhe, der der Beklagten zustehenden Provision bzw. Courtage abzugeben, insbesondere eine regelmäßige Vergütung, die die Beklagte von den Versicherungsgesellschaften der Kunden oder Interessenten erhält, ihnen zur Hälfte, z.B. als Aktivitätsprämie, zu erstatten oder eine solche Erstattung in Aussicht zu stellen;

2. an ihn außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 674,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.11.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
ihr eine Umstellfrist von 12 Monaten, beginnend ab Rechtskraft des Urteils, zuzubilligen.

Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen dazu, dass das „Provisionsabgabeverbot“ bereits ihre Tätigkeit als Maklerin nicht erfasse und zudem verfassungs- sowie europarechtswidrig sei. Außerdem rügt sie die Unzuständigkeit des Senats im Hinblick auf kartellrechtliche Fragen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Der Kläger hat keinen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG, § 3 Abs. 1 UWG (a.F. und n.F.), § 4 Nr. 11 UWG a.F. bzw. § 3a UWG n.F. i.V.m.
– der Bekanntmachung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung vom 08.03.1934 betreffend Lebensversicherung (Verbot der Gewährung von Sondervergütungen und des Abschlusses von Begünstigungsverträgen; VerRafP 1934, S. 99),
– der Bekanntmachung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung vom 05.06.1934 betreffend Krankenversicherung (Verbot der Gewährung von Sondervergütungen und des Abschlusses von Begünstigungsverträgen; VerRafP 1934, S. 100),
– der Verordnung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 17.08.1982 über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen in der Schadensversicherung (VerBAV 1982, S. 456).

a) Bei den Anordnungen des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung vom 08.03.1934 und 05.06.1934 handelt es sich um Rechtsverordnungen, die seit Inkrafttreten des Grundgesetzes als Bundesrecht fortgelten (s. BGH MDR 2004, 1104, Juris-Tz. 20, m.w.N.). Alle drei Rechtsverordnungen beruhen auf der Ermächtigung nach § 81 VAG a.F. (zuletzt Abs. 3, zuvor Abs. 2), der inhaltlich § 298 Abs. 4 VAG n.F. entspricht. Danach ist das Bundesministerium der Finanzen u.a. berechtigt, durch Rechtsverordnung allgemein oder für einzelne Versicherungszweige den Versicherungsunternehmen und Vermittlern von Versicherungsverträgen zu untersagen, dem Versicherungsnehmer in irgendeiner Form Sondervergütungen zu gewähren. Das Bundesministerium der Finanzen hat die ihm eingeräumte Ermächtigung zulässig auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. Diese bzw. ihre Vorgängerbehörde haben die drei o.a. Verbote eingeführt. Die Verbote bezüglich der Gewährung von Sondervergütungen wurden und werden regelmäßig – auch vom Gesetzgeber selbst (s. BT-Dr. 12/6959 S. 83, BT-Dr. 12/7595, S. 109) – als „Provisionsabgabeverbot“ bezeichnet.

b) Ein Unterlassungsanspruch scheitert daran, dass das sog. „Provisionsabgabeverbot“ keine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG (4 Nr. 11 UWG a.F.) – mehr – darstellt, so dass ein Verstoß gegen die o.a. gesetzlichen Vorschriften lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Eine gesetzliche Vorschrift ist als Marktverhaltensregelung zu bewerten, wenn sie auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die objektiv der Förderung des Absatzes oder des Bezugs eines Unternehmens dient, und durch die ein Unternehmer auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 3a Rn. 1.62). Eine Außenwirkung auf dem Markt ist bei der Bewerbung der Dienstleistung der Beklagten mit einer Zahlungsrückerstattung zwar gegeben (a.A. insoweit Schwintowski ZfV 2014, 576, 578), es fehlt jedoch bei der gebotenen Auslegung der Normen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 3a Rn. 1.61, 163ff.) an der erforderlichen Zweckbestimmung.

aa) Sinn und Zweck der 1934 eingeführten Verbote der Gewährung von Sondervergütungen war es, eine weitere Steigerung der Verwaltungskosten der Versicherungsunternehmen zu vermeiden (s.u.). Dies bezweckte auch unmittelbar einen Schutz der Interessen der Verbraucher, so dass das Provisionsabgabeverbot damals eine Marktverhaltensvorschrift darstellte.

bb) Das damalige gesetzgeberische Motiv ist inzwischen überholt (s. BT-Dr. 12/6959, 5. 83:

„Das Verbot von Begünstigungsverträgen und Sondervergütungen ist seit langem umstritten. Ursprünglicher Anlaß der in der Notsituation des Jahres 1923 in das VAG eingefügten Bestimmung war es, eine weitere Steigerung der Verwaltungskosten der Versicherungsunternehmen zu vermeiden. Dies ist inzwischen überholt; die Erfahrungen der Aufsichtsbehörde haben gezeigt, daß Verwaltungskosten durch ein Begünstigungsverbot nicht in nennenswertem Umfang gesenkt werden können.“).

Soweit der BGH im Jahr 1984 noch das „Provisionsabgabeverbot“ im Ergebnis als Marktverhaltensvorschrift verstanden haben dürfte (Urteil vom 19.12.1984, 1 ZR 181/82, VersR 1985, 425:

„Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß ein Verstoß gegen die Anordnung vom 8.3.1934, die die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit der Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler bei Abschluß und Ausgestaltung der Versicherungsverträge einschränkt und insoweit gleiche Wettbewerbsbedingungen unter den Wettbewerbern schafft, dann wettbewerbswidrig ist i.S. von § 1 UWG, wenn sich ein Wettbewerber bewußt und planmäßig über sie hinwegsetzt, obwohl für ihn erkennbar ist, daß er dadurch einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann.“),

kann dies vor dem Hintergrund des Urteils vom 17.06.2004 im Verfahren III ZR 271/03 (MDR 2004, 1104) nicht mehr aufrecht erhalten werden. Der BGH hat zwischenzeitlich entschieden, dass ungeachtet des aus den o.a. Vorschriften folgenden Verbots die Provisionsabgabe zivilrechtlich erlaubt ist. Das durch die Anordnung des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung vom 08.03.1934 gegenüber den Lebensversicherungsunternehmen und den Vermittlern von Lebensversicherungsverträgen ausgesprochene Verbot, Versicherungsnehmern in irgendeiner Form Sondervergütungen zu gewähren, enthalte kein gesetzliches Verbot mit Nichtigkeitsfolge i.S.d. § 134 BGB (MDR 20014, 1104, Juris-Tz. 31ff.:

„(1) Die Frage, ob der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluß des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Der Umstand, daß eine Handlung unter Strafe gestellt oder als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bedroht ist, bewirkt dabei nicht unabweislich die Nichtigkeit des bürgerlich-rechtlichen Geschäfts. Vielmehr sind für jede einzelne Vorschrift Normrichtung und -zweck zu ermitteln und zu werten (vgl. Senatsurteile BGHZ 118, 142, 144 f; 152, 10, 11 f).

Verträge, durch deren Abschluß beide Vertragspartner ein gesetzliches Verbot verletzen, sind im allgemeinen nichtig. Eine für alle Beteiligten geltende Straf- oder Bußgeldandrohung gibt einen gewichtigen Hinweis darauf, daß die Rechtsordnung einem das Verbot mißachtenden Vertrag die Wirksamkeit versagen will. Betrifft das Verbot hingegen nur eine der vertragschließenden Parteien, so ist ein solcher Vertrag in der Regel wirksam (vgl. Senatsurteil BGHZ 118, 142, 145).

(2) Die von den vorbeschriebenen Grundsätzen ausgehende Prüfung des Verbots, dem Versicherungsnehmer Sondervergütungen zu gewähren (Absatz 1 der Anordnung vom 8. März 1934), ergibt, daß es sich nicht um ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB handelt. Das entspricht der vorherrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt VersR 1995, 92, 94 [Revision durch BGH, Beschluß vom 19. Oktober 1994 – IV ZR 39/94BGHR BGB § 626 Abs. 1 Versicherungsmakler 1, nicht angenommen]; OLG Hamburg VersR 1995, 817 f; OLG Celle VersR 1994, 856; a.A. OLG Köln VersR 1991, 1373 ff; OLG Hamburg VerBAV 2000, 163, 165; offengeblieben in BGH, Beschluß vom 28. November 1996 – IX ZR 204/95NJW-RR 1997, 1381). Ein ähnliches Meinungsbild zeigt sich im Schrifttum (vgl. Kollhosser in Prölss, VAG 11. Aufl. 1997 § 81 Rn. 98; Goldberg/Müller, VAG 1980 § 81 Rn. 59; Bähr in Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG 3. Aufl. 2003 § 81 Rn. 34; Fromm/Goldberg, VAG 1966 § 81 Anm. 9 II; MünchKommBGB/Mayer-Maly/Armbrüster 4. Aufl. 2001 § 134 Rn. 68; Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. 2004 § 134 Rn. 24; BK/Gruber, VV 1999 Anhang zu § 48 Rn. 21; Dreher VersR 1995, 1 ff; Winter aaO S. 1061 ff; a.A. Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. 1961 Vor § 43- 48 Anm. 310; Staudinger/Sack, BGB <2003> § 134 Rn. 306; Erman/Palm BGB 11. Aufl. 2004 § 134 Rn. 101; Schwintowski VuR 2002, 200 f). In diesem Sinne dürfte auch eine Stellungnahme des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Geschäftsberichte des Bundesaufsichtsamtes 1958/1 959 S. 24) zu verstehen sein.

(a) Das in der Anordnung bestimmte Verbot, Sondervergütungen zu gewähren, richtet sich, wie auch von der Mindermeinung in Rechtsprechung und Schrifttum nicht verkannt wird, einseitig an die Versicherungsunternehmer und die Vermittler, nicht aber an den Versicherungsnehmer. Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Anordnung. Danach ist “den Versicherungsunternehmungen und den Vermittlern von Versicherungsverträgen“ untersagt, dem Versicherungsnehmer in irgendeiner Form Sondervergütungen “zu gewähren“ (Absatz 1 der Anordnung). Zudem können nur die Vermittler von Versicherungsverträgen und möglicherweise die das Versicherungsunternehmen vertretenden Personen ( 9 OWiG ) Täter einer nach § 144a Abs. 1 Nr. 3 VAG bußgeldbedrohten Zuwiderhandlung gegen die Anordnung sein (vgl. Dreher aaO S. 2; Winter aaO; Goldberg/Müller aaO § 81 Rn. 61; Kollhosser aaO § 144a Rn. 12; s. auch BGHZ 93, 177, 181).

(b) Richtet sich das gesetzliche Verbot wie hier die Anordnung vom 8. März 1934 nur gegen einen der Vertragspartner, nämlich gegen die Versicherungsunternehmen und die Vermittler, kann das Rechtsgeschäft nur dann als nichtig angesehen werden, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (vgl. Senatsurteil BGHZ 118, 142, 145). Davon kann bezüglich der Anordnung vom 8. März 1934 indessen nicht ausgegangen werden.

Ursprünglicher Anlaß der in der Notsituation des Jahres 1923 in das Versicherungsaufsichtsgesetz eingefügten Ermächtigung zum Erlaß von Vorschriften über das Verbot von Begünstigungsverträgen und Sondervergütungen ( 81 Abs. 2 Satz 4 und 5 VAG) war es, eine weitere Steigerung der Verwaltungskosten der Versicherungsunternehmen zu vermeiden (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG BT-Drucks. 12/6959 S. 83; BGHZ 93, 177, 180 f und Kollhosser aaO § 81 Rn. 69 f jeweils m.w.N aus der Entstehungsgeschichte; Verlautbarung des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen VersR 1989, 942). Diese gesetzgeberischen Motive dürften inzwischen überholt sein (vgl. BT-Drucks. aaO). Der Fortbestand der Ermächtigung zum Erlaß des Begünstigungs- und Provisionsabgabeverbotes wurde bei der Beratung des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBI. 1 5. 1630) nur noch damit gerechtfertigt, daß eine Aufgabe des Verbotes die Qualität der Beratung beeinträchtigen und die Existenz vieler Versicherungsvermittler gefährden könnte. Ferner wurde die Gefahr einer Verminderung der Markttransparenz gesehen (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu diesem Gesetzentwurf BT-Drucks. 12/7595 5. 104 und 109; Dreher VersR 1995, 1, 2). Das Verbot der Gewährung von Sondervergünstigungen dient mithin nicht mehr – was für ein mit der Nichtigkeitsfolge bewehrtes Provisionsabgabeverbot hätte sprechen können – dem Erhalt der Bonität der Versicherungsunternehmen. Es geht vielmehr um allgemeine Interessen des Verbraucherschutzes und die (finanziellen) Interessen der Vermittler. Deren Durchsetzung erfordert jedoch nicht – über die aufsichtsrechtlichen Mittel und die Bußgeldbewehrung hinaus – die Nichtigkeit (§ 134 BGB) der entgegen dem (einseitigen) Verbot eingegangenen Provisionsteilungsverpflichtung. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, daß dieses Verbot nicht allgemein gilt. Ihm unterliegen die Versicherungsunternehmen, die der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen unterstehen, nicht jedoch diejenigen, die von den Ländern beaufsichtigt werden (vgl. Bähr aaO Rn. 34; Winter aaO S. 1064; Dreher VersR 1995, 1, 3).“).

Das „Provisionsabgabeverbot“ schränkt mithin die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit im Verhältnis Versicherungsmakler / Versicherungsnehmer gerade nicht ein. Provisionsvereinbarungen jeglicher Art sind zivilrechtlich unbedenklich und wirksam, so dass, das verwaltungsrechtliche „Provisionsabgabeverbot“ zu einer Art Obliegenheit der Vermittlerschaft gegen sich selbst wird. Entschließt sich ein Vermittler, das ihn schützende Verbot aufzugeben und eine Provisionsteilungsvereinbarung mit dem Versicherungsnehmer einzugehen, so wird die privatautonome Willensbildung durch das „Provisionsabgabeverbot“ nicht berührt, weil sich deren Schutzzweck nicht auf den individuellen Kunden erstreckt (vgl. Schwintowski ZfV 2014, 576, 577 f.).

Die Differenzierung zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit der Provisionsteilungsvereinbarung einerseits und dem verwaltungs-/aufsichtsrechtlichen Verbot andererseits ist auch im Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen und führt dazu, dass das „Provisionsabgabeverbot“ nicht mehr als Marktverhaltensregelung bewertet werden kann, weder im Verhältnis Versicherungsmakler / Versicherungsnehmer, noch im Verhältnis der Versicherungsmakler untereinander.

Die Ermächtigung zum Erlass von Vorschriften über das Verbot von Sondervergütungen wird derzeit nur noch mit dem Erhalt der Qualität der Beratung, dem Schutz der Existenz vieler Versicherungsvermittler sowie der Gefahr einer Verminderung der Markttransparenz gerechtfertigt (vgl. BGH MDR 2004, 1104, Juris-Tz. 36; BT-Dr. 12/7595, S. 104, 109:

„Gleichfalls einstimmig beschlossen wurde der Verzicht auf die Aufhebung des Begünstigungs- und Provisionsabgabeverbots. Der Ausschuß hat sich bei dieser ‘Entscheidung insbesondere davon leiten lassen, daß eine Aufgabe dieses Verbots die Qualität der Beratung beeinträchtigen und die Existenz vieler Versicherungsvermittler gefährden könnte. …

Die im Regierungsentwurf vorgesehene Aufhebung des Begünstigungs- und Provisionsabgabeverbots verbessert trotz verstärkten Wettbewerbs nicht unbedingt die Lage der Versicherungskunden; denn sie würde u.a. dazu führen, daß sich die Markttransparenz, die schon durch die Aufhebung der behördlichen Genehmigung der allgemeinen Versicherungsbedingungen zurückgehen wird, noch weiter vermindert. Ferner wird die Gefahr gesehen, daß Versicherungsvermittler bei Abgabe eines Teils ihrer Provision nicht mehr die gleiche Mühe für eine kundenorientierte Beratung aufwenden. Die bestehende Rechtslage, die ohnehin beide Verbote nicht festschreibt, sondern nur zu ihrem Erlaß ermächtigt, soll daher aufrechterhalten bleiben, zumal die Aufhebung durch die Richtlinien nicht geboten ist.“).

Der Schutz der Existenz / finanziellen Interessen der Versicherungsvermittler betrifft zwar einen Teil der Marktteilnehmer, nämlich die Gruppe der Mitbewerber, deren Interesse dient eine Norm i.S.d. § 3a UWG jedoch nur dann, wenn sie die Freiheit ihrer wettbewerblichen Entfaltung schützt. Das Interesse der Mitbewerber an der Einhaltung einer Vorschrift durch alle auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen ist für sich allein dagegen nicht ausreichend, da die Schaffung gleicher Voraussetzungen für alle Mitbewerber in der Regel nicht der Zweck, sondern die Folge einer gesetzlichen Regelung ist (s. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 3a Rn. 1.65 f.). Im vorliegenden Fall ist die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen allenfalls Folge des „Provisionsabgabeverbotes“ – wobei diese Folge durch die nach der Rechtsprechung des BGH zulässigen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen zwischen den Versicherungsvermittler und den Versicherungsnehmern faktisch unterlaufen werden kann -‚ aber gerade nicht dessen Sinn und Zweck (vgl. BT-Dr. 12/6959, S. 83:

„… ist darauf hinzuweisen, daß die Sicherung der bisherigen Provisionseinkünfte der Versicherungsvermittler nicht Ziel des VAG ist.“).

Im Gegenteil liegt mit dem Eingriff in die freie Preisgestaltung / Berufsausübungsfreiheit eine Beschränkung des freien Wettbewerbs vor, deren – vor allem auch europarechtliche – Zulässigkeit seit längerem ernsthaft in Frage gestellt wird (vgl. BGH MDR 2004, 1104, Juris-Tz. 30, m.w.N.; Schwintowski, VuR 2012, 240 ff.).

Beratungsqualität und Markttransparenz zielen zwar vordergründig auf den Verbraucherschutz ab. Dem Interesse der Verbraucher dient eine Norm, wenn sie deren Informationsinteresse und Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit in Bezug auf die Marktteilnahme schützt sowie darüber hinaus auch dann, wenn sie den Schutz von Interessen, Rechten und Rechtsgütern der Verbraucher bezweckt (s. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 3a Rn. 1.67). Im vorliegenden Fall sind der Erhalt der Qualität der Beratung und die Gefahr der Verminderung der Markttransparenz ausweislich der Gesetzeshistorie allerdings nur zur Rechtfertigung der – auch nach Ansicht des Gesetzgebers wettbewerbsrechtlich problematischen – Aufrechterhaltung des „Provisionsabgabeverbotes“ herangezogen worden (s.o. BT-Dr. 12/7595, 5. 104, 109 sowie BT-Dr. 12/6959, S. 83:

„Das Verbot von Begünstigungsverträgen und Sondervergütungen ist seit langem umstritten. Ursprünglicher Anlaß …ist inzwischen überholt … Später wurde der Grund für das Begünstigungsverbot im Gleichbehandlungsgrundsatz, in der „versicherungstechnischen Prämiengerechtigkeit“ gesehen. In einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft kann es aber ebensowenig Aufgabe einer Versicherungsaufsichtsbehörde sein, für eine „gerechte“ Prämie zu sorgen wie in der übrigen Wirtschaft die Aufgabe des Staates, für einen „gerechten“ Preis Sorge zu tragen. Das Begünstigungsverbot wirkt sich jedenfalls dann wettbewerbshemmend aus, wenn es dahin verstanden wird, daß auch der Eintritt in Konkurrentenpreise oder die Reaktion auf preisgünstige Prämien von Anbietern auf Teilmärkten verboten sein soll. Zudem hat die Aufsichtsbehörde in der Schadensversicherung zu wenig Einblick in die Prämienkalkulation, um zuverlässig beurteilen zu können, ob wirklich eine unberechtigte Begünstigung vorliegt. Die Durchsetzung des Verbots hat daher in der Vergangenheit auch erhebliche Schwierigkeiten gemacht. Die Gefahr, daß bei Aufhebung des Verbots nachfragemächtige Organisationen nicht gerechtfertigte Preisnachlässe durchsetzen könnten, ist in der Vergangenheit vielfach überzeichnet worden. Mißbräuchen einer Monopolstellung kann auch durch das Kartellrecht begegnet werden. Dem Argument, daß die Aufhebung des Begünstigungsverbots den Berufsstand des selbständigen Versicherungsvermittlers gefährde, ist entgegenzuhalten, daß die Sicherung von Einkunftsmöglichkeiten nicht mit Hilfe des VAG gewährleistet werden kann, dessen Aufgabe es ausschließlich ist, die Belange der Versicherten ausreichend zu wahren. Zu den besonderen Verhältnissen in der Lebens- und Krankenversicherung wird auf die Begründung zu Nummer 9 und 11 verwiesen. Die vorgeschlagene Aufhebung umfaßt auch das Verbot der Sondervergütungen. Soweit damit Sondervergütungen des Versicherer selbst an den Versicherungsnehmer verboten sind, besteht kein grundsätzlicher Unterschied zum Begünstigungsverbot. Die Besonderheit liegt vielmehr darin, daß es z.Z. auch den Versicherungsvermittlern verboten ist, Sondervergütungen zu gewähren (sog. Provisionsabgabeverbot). Das Provisionssystem und die Provisionshöhe sind nicht gesetzlich geregelt; die Provisionen sind Wettbewerbspreise. Das gilt auch dann, wenn Versicherungsvermitt1er vom Versicherer den Teil der Provision ersetzt verlangen, den sie an ihre Versicherungskunden weitergegeben haben. Auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Sicherung der bisherigen Provisionseinkünfte der Versicherungsvermittler nicht Ziel des VAG ist.“).

Dass das Verbot das Informationsinteresse und die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher tatsächlich schützt, ist jedoch nicht feststellbar. Der Verbraucher kann eine informationsgeleitete Entscheidung im Gegenteil besser dann treffen, wenn ihm der Preis für das Produkt als solches sowie die für die Beratung und/oder sonstigen Leistungen des Versicherungsvermittlers anfallenden Kosten bekannt sind. Das gegenwärtige System ist jedenfalls bezüglich der Versicherungsmaklercourtagen, die von den Versicherungsunternehmen den Versicherungsmaklern gezahlt werden, und deren Höhe gegenüber den Versicherungsnehmern weder absolut noch relativ offengelegt wird, gerade nicht transparent. Auch die Qualität – und Zielrichtung – der Beratung kann u.U. abhängig davon sein, ob der Makler an dem Produkt selbst eher viel oder wenig verdient. Die Gefahr, dass der Makler die Beratung an den eigenen finanziellen Interessen ausrichtet statt an denen seiner Kunden, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Insgesamt werden sich bei einer Bemessung der Entgelte für die Beratungsleistungen nach den Regeln des freien Wettbewerbs am Markt langfristig angemessenere Beträge entwickeln als durch das „Provisionsabgabeverbot“, das in erster Linie die finanziellen Interessen der bereits am Markt befindlichen Versicherungsvermittler absichert.

  1. Der Zahlungsanspruch folgt dem Schicksal des Unterlassungsanspruch, § 12 Abs. 1 UWG.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 10.000,00 €


Siehe hierzu auch meinen Beitrag vom 11.11.2016 „OLG Köln: Das „Provisionsabgabeverbot“ ist keine Marktverhaltensregel mehr“


 

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