Strafanzeige oder Maibaum stellen? – Immer noch aktuell

Ich lese nach wie vor (nämlich z.B.  hier, hier, hier und hier) und immer wieder die Wendung, dass „eine Strafanzeige gestellt“ würde. Das ist falsch und Sprachverhunzung.

Eine Strafanzeige wird erstattet.

Basta.

Warum das so ist und wo der Unterscheid liegt habe ich schon vor einiger Zeit in dem Beitrag „Strafanzeige oder Maibaum stellen? « Neues aus der Asse“ geschildert.

Der Beitrag ist von 2010 und ich stolperte über einen Artikel auf Spiegel Online mit dem schönen Satz „Die Polizei stellte Strafanzeige wegen Beleidigung“. Die Autorin des Artikels – Julia Jüttner – änderte nach einer E-Mail von mir ratzfatz den obigen Satz in „Die Polizei stellte Strafantrag wegen Beleidigung“. Das fand ich echt cool. Aber, wie es nun mal so ist, wirklich verbreitet hat sich die Erkenntnis über die Erstattung einer Strafanzeige nicht. Nach wie vor werden mehr Strafanzeigen als Maibäume gestellt.

So, nun aber „Strafanzeige oder Maibaum stellen? « Neues aus der Asse„:

„Jetzt habe ich es schon wieder gelesen:

Im Artikel “Der Sündenfall des Schöffen S.” vom 09.11.2010 auf SpiegelOnline heißt es :

“Die Polizei stellte Strafanzeige wegen Beleidigung.”

Auf SpiegelOnline wurde schon eine Unzahl von Strafanzeigen gestellt. Doch jetzt reicht`s mal.

Dabei wäre doch alles so einfach: Im “Duden Universalwörterbuch”, als auch im “Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache” ist nachzulesen, dass eine Strafanzeige erstattet wird.

Nochmals zum mitmeißeln: Eine Strafanzeige wird erstattet!

Ja, aber was wird denn nun gestellt?

Ein Maibaum wird gestellt, ein Dieb wird gestellt und – ein Strafantrag wird gestellt. Aha.

Nochmals zum mitmeißeln: Ein Strafantrag wird gestellt!

Wer nun meint, dass das keinen Unterschied mache, der soll sich durch die weiteren Ausführungen nicht irritieren lassen und hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier weiterlesen.

Für alle anderen folgendes:

Im Strafrecht gibt es Delikte, die nur auf Antrag verfolgt werden. Sie heißen sinnigerweise Antragsdelikte.

Der Antrag, im Fachjargon Strafantrag genannt, ist Voraussetzung dafür, dass die Straftat überhaupt verfolgt wird. Ein reines Antragsdelikt ist zum Beispiel der Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB oder die Beleidigung gemäß § 185 BGB.

Der Satz “Die Polizei stellte Strafanzeige wegen Beleidigung” hört sich also nicht nur gruselig an, sondern ist auch inhaltlich falsch.

Der Antragsteller eines Strafantrages kann auch nicht jedermann sein, sondern in der Regel nur der Geschädigte selbst. Zieht der Antragsteller seinen Antrag zurück, ist es in der Regel vorbei mit dem schönen Strafverfahren. Ein Strafantrag ist Bestandteil des Strafverfahrens und deshalb auch kein bloßer Hinweis.

Ja, aber was ist dann eine Strafanzeige?

Der Gegensatz zum Antragsdelikt ist das Offizialdelikt. Steht die Begehung eines Offizialdeliktes im Raum, so müssen die Strafverfolgungsbehörden ermitteln, egal wie sie davon Kenntnis bekommen haben. Schaut also ein Staatsanwalt während einer wohlverdienten Pause aus dem Fenster und sieht, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite drei Maskierte mit Pistolen aus der Bank stürmen, so muss er die Ermittlungen aufnehmen und eine Akte anlegen. Es sei denn wenige Meter weiter sitzt Wim Wenders im Regiestuhl neben einer Kamera. Aber auch das könnte ja nur Tarnung sein. Sei`s drum. Eine andere Möglichkeit den Strafverfolgungsbehörden von einem Offizialdelikt Kenntnis zu verschaffen ist die Strafanzeige, also die Anzeige einer Straftat. Das kann ein Anruf sein, eine E-Mail, eine SMS, ein Brief. Es gibt keine Formvorschriften.

Eine Strafanzeige wird erstattet! Denjenigen, der dies tut nennt man Anzeigeerstatter.

Also, liebe Journalistinnen und Journalisten, bitte, lest das hier vorher einmal, bevor ihr weiterhin über gestellte Strafanzeigen fabuliert. Bitte! Danke.“

Ihr,

Michael Hilpüsch
-Rechtsanwalt –

awoka versicherungsblog
kanzlei@awoka.de
www.awoka.de

Über Michael Hilpüsch

Rechtsanwalt Versicherungsfachmann (BWV)
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