Versicherungsmakler im Pumpensumpf – Final Destination


Last Exit Brandenburg

Die Sache ist entschieden. Der beklagte Versicherungsmakler wurde zum Schadensersatz verurteilt. Das hat das Brandenburgische Oberlandesgericht  in dem Verfahren 11 U 90/10 mit Urteil 29.4.2015 entschieden:

„Der Beklagte haftet dem Kläger nach den §§ 63, 61 Abs. 1 VVG wegen unzulänglicher Beratung auf Schadenersatz. Die Vorschriften gehen als leges speziales den allgemeinen Regeln über die Maklerhaftung vor (so auch Prölss/Martin, 28.A., § 63 Rn. 6).“ (RN 90)

Die bisherigen Entscheidungen

Dieser Fall, mit dem sich auch bereits der Bundesgerichtshof befasst hat, beinhaltet einige wirklich interessante rechtliche Fragestellungen. Insofern möchte ich an dieser Stelle auf die bisher ergangenen Entscheidungen verweisen sowie meinen Blogbeitrag „Versicherungsmakler im Pumpensumpf – Ein Bedingungskrimi“ vom 29.4.2014:

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23.10.2012, Az. 11 U 90/10

Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.03.2014, Az. IV ZR 422/12

Kurz zur Erinnerung der Sachverhalt:

Der Beklagte ist Versicherungsmakler, der Kläger selbständiger Ofenbaumeister, der Ofen- und Kaminbauarbeiten anbietet. Für den Handwerksbetrieb des Vaters des Klägers bestand eine Betriebshaftpflichtversicherung deren Laufzeit am 03.09.2009 endete.

6.7.2009

Nachtragsvereinbarung an den Kläger vom 06.07.2009 zur Errichtung eines Podestes im Untergeschoss des Bauvorhabens … Straße 57 in B… beauftragt worden. Die Arbeiten, u.a. auch Verfliesung und Anbringung der Abdichtung  eines Pumpensumpfs einer Dialyse-Praxis, hätten im Juli 2009 stattgefunden.

25.8.2009

Am 25. 08. 2009 besuchte der Beklagte den Kläger zu Hause und empfahl ihm den von diesem – grundsätzlich – gewünschten Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung Hierzu legte er dem Kläger die von ihm, dem Beklagten, ausgefüllte und vorbereitete „Deckungsnote BHV für Handwerker“ zur Unterschrift vor. Der Kläger unterzeichnete sie. Danach erhielt der Kläger von dem Beklagten per E-Mail die „Dokumentation zur Beratung mit Herrn R… K…“.

2.9.2009

Am 02.09.2009 erhielt der Kläger vom Beklagten die „AHB Haftpflicht“, Informationen gemäß § 1 VVG InfoV, Besondere Bedingungen, Beiblatt Baunebengewerbe, Allgemeine Bedingungen Umweltschadenhaftpflichtversicherung, Merkblatt Datenverarbeitung.

Telefonat kurz nach dem 2.9.2009

Auf ein Telefonat hin fügte der Beklagte – unstreitig – handschriftlich in den ursprünglichen Text der Deckungsnote, in welcher es unter der Rubrik „Ausgeübtes Handwerk“ heißt: „Ofensetzer“, den Zusatz: „incl. zugehöriger Fliesenarbeiten“ ein. Der genaue Inhalt des Telefonats ist zwischen den Parteien streitig.

3.9.2009

Die Versicherung stellte unter dem Datum vom 09.09.2009 den Versicherungsschein aus. Dieser ging dem Kläger zu, der ihn zu seinen Unterlagen nahm. Als Versicherungsbeginn wird der 03.09.2009 genannt. Unter „Versicherte Risiken“ wird mit der Kennnummer 1536 292 angegeben: „ Kamin-, Ofen- und Herdsetzer, Feuerungs- und Luftheizungsbau“.

Anfang November 2009

Anfang November 2009 sei die Dialyse-Anlage mit dem Pumpensumpf in Betrieb genommen worden.

07.11.2009

Am 07.11.2009 habe sich ein Wasserschaden ereignet. Der gesamte Keller des Hauses sei unter dem Estrich einschließlich der Wände und Fahrstuhlschächte durchnässt worden. Schadensursache sei eine von ihm, dem Kläger, zu vertretende Undichtigkeit im Pumpensumpf, da sich die von ihm eingebaute Abdichtung gelöst habe.

25.11.2009

Am 25.11.2009 meldete der Kläger  einen Schaden im Zusammenhang mit Arbeiten, die er in B…, … Straße 57, durchgeführt haben will. Es habe sich, so seine Darstellung in der Schadensmeldung, um „Fliesen- und Natursteinverlegung inkl. aller dazu gehörenden Nebenarbeiten“ gehandelt. Als Sachschaden hat der Kläger angegeben: „ Der gesamte Keller ist unter dem Estrich durchnässt, ebenso diverse Wände sowie Fahrstuhlschächte und deren Einrichtungen.“

9.12.2009

Mit Schreiben vom 09.12.2009 lehnte die Versicherung die Regulierung des Schadens mit der Begründung ab, dass Schäden, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Fliesen- und Natursteinarbeiten entstünden, vom Versicherungsschutz nicht erfasst seien.

23.2.2010

Mit weiterem Schreiben vom 23.02.2010 teilte die Versicherung dem Kläger mit, die Abdichtung des Pumpensumpfes mit der „Kerdi-Matte“ und die anschließende Verfliesung falle in das Risiko eines Fliesenlegerbetriebes.

Worauf kam es jetzt noch an?

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 26.3.2014 ja schon einige Rechtsfragen dieses Falles behandelt, so z.B. die Themen „Feststellungsklage auf Quasi-Deckung“, Pflichtverletzung des Versicherungsmaklers, Versicherungsfall nach den AHB, Kausalität des Schadens. Diese Fragen hat der BGH alle geklärt und sogar das erste Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverweisen.

Hierauf kam es nach dem Bundesgerichtshof noch an:

„Es kommt deshalb darauf an, ob der Beklagte bei gehöriger Nachfrage zu den vom Kläger konkret ausgeübten Tätigkeiten hätte erkennen können, dass der eingeschränkte Wiedereinschluss nicht genügte, weil der Kläger auch Arbeiten an einer Anlage vorgenommen hatte, in die Abwässer abgeleitet wurden.“

Die Pflichten des Versicherungsmaklers sind knallhart

Eiskalt beschreibt das Brandenburgische Oberlandesgericht in seinem neuen Urteil vom 29.4.2015 erst einmal die Pflichten des Versicherungsmaklers (RN 91 und 92):

„Die Verpflichtung des Versicherungsmaklers zur Vermittlung eines passenden Versicherungsschutzes und damit zu der notwendigerweise vorangehenden Beratung und Bedarfsermittlung stellt sich als seine Hauptleistungspflicht dar (BGHZ 162, 67).“

BGHZ 162, 67 = Urteil vom 20. Januar 2005, · Az. III ZR 251/04

„Er muss von sich aus das zu versichernde Risiko ermitteln (BGHZ 94, 356).“

BGHZ 94, 356 = 22.05.1985 – IVa ZR 190/83

„Der Versicherungsmakler ist Interessenvertreter des Versicherungsnehmers und daher zu einer umfassenden Betreuung aller Versicherungsinteressen seines Kunden und zu einer entsprechenden Beratung in Bezug auf den von ihm vermittelten Versicherungsvertrag verpflichtet (BGHZ 94, 356; BGH NJW 2005, 1357; BGH NJW-RR 2005, 1425).“

BGH NJW 2005, 1357 = Urteil vom 20. Januar 2005, · Az. III ZR 251/04

BGH NJW-RR 2005, 1425 = Urteil vom 19. Mai 2005 · Az. III ZR 309/04

Dabei hat der Makler von sich aus das Risiko des Kunden zu untersuchen (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2011 – 3 U 192/10 – zitiert nach juris), das Objekt – im Streitfall die tatsächlichen Umstände des Geschäftsbetriebs des Klägers – zu prüfen und den Kunden unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Ergebnisse zu unterrichten (so auch OLG München VersR 2001, 459).

Der Versicherungsmakler hat den Kunden schließlich auf das Fehlen von Versicherungsschutz hinzuweisen (so auch OLG Düsseldorf r+s 1997, 219).

Diese umfassenden Pflichten machen den Makler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse zum treuhänderischen Sachwalter des Kunden. Das gilt selbst dann, wenn, wie vielfach üblich, der Makler aus der Sicht des Kunden seine Provision von dem Versicherer hätte erhalten sollen (BGHZ 94, 356; so auch OLG München VersR 2001, 459).“

Die konkrete Bewertung

Damit ist der Rahmen abgesteckt. Vor diesem Hintergrund bewertet das Brandenburgische Oberlandesgericht die konkreten Pflichten des Versicherungsmaklers so (RN 95):

„Es kann dabei offen bleiben, ob der Kläger, wie er behauptet, den Beklagten im Rahmen eines Telefonats ausdrücklich auf das Erfordernis eines Versicherungsschutzes für den Fall der Durchführung „eigenständiger“ Fliesenlegerarbeiten hinwies oder nicht. Selbst dann nämlich, wenn man die Nichterweislichkeit eines solchen Hinweises unterstellt, bleibt es angesichts der strengen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die vertraglichen und vorvertraglichen Pflichten des Versicherungsmaklers bei der Haftung des Beklagten.

Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der Beklagte, wie sein unstreitiger handschriftlicher Zusatz in der Deckungsnote belegt, jedenfalls in dem Sinne problembewusst war, dass der Kläger auch für Fliesenarbeiten Betriebshaftpflichtschutz begehrte. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen und Umständen im Einzelnen, hätte der Beklagte, veranlasst hiervon, durch gezieltes Nachfragen klären müssen. Eine solche Bedarfsermittlung war, wie ausgeführt, unerlässlich und ohne Zweifel von dem Beklagten zu erwarten. Dem ist er nicht gerecht geworden. Anderenfalls wäre zutage getreten, dass der Kläger Versicherungsschutz auch bei Durchführung „reiner“ Fliesenlegerarbeiten begehrt haben mag.“

Mit anderen Worten:

Alleine der spätere handschriftliche Zusatz auf der Deckungsnote „„incl. zugehöriger Fliesenarbeiten“ genügt dem Gericht als Beleg dafür, dass der Versicherungsmakler genügend problembewusst gewesen sein muss, um zu erkennen, dass der Kläger auch für reine Fliesenarbeiten eine Betriebshaftpflicht begehrte. Deren Umfang hätte er dann durch weitere gezielte Nachfragen klären müssen.

Es läuft also letztlich, wie so oft,  auf den aus dem Kapitalanlagebereich altbekannten Grundsatz „know your customer – know your product“ hinaus, der die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung beschreibt.

Gibt es für Versicherungsmakler auch eine gute Nachricht?

Na ja, das OLG Brandenburg vermeidet eine Beweisaufnahme dadurch, dass es die Pflichten des Versicherungsmaklers am einzig unstreitg gebliebenen Tatsachenschnipsel festmacht, nämlich dem handschriftlichen Eintrag in die Deckungsnote.“„incl. zugehöriger Fliesenarbeiten“. Daraus könnte immerhin abgeleitet werden, dass zumindest irgendein Anhaltspunkt für den Versicherungsmakler vorhanden sein muss, dem er bei seiner Bedarfsanalyse nachgehen kann.

Eine Pflicht zur völlig anlasslosen Prüfung und Ermittlung in Richtung auf z.B. alle möglichen gewerblichen Tätigkeiten dürfte eher fraglich sein. Eine entsprechend weit formulierte Frage in den Analysebogen aufzunehmen, kann allerdings nicht schaden und sei hiermit empfohlen.

Fakt ist jedenfalls, dass der Versicherungsmakler theoretisch – im Rahmen des Beweisbaren – über jede noch so kleine Unklarheit haftungsmäßig stolpern kann. Unaufgeklärtes und Im-Dunkeln-Liegendes  sollte es in seiner Arbeit nicht geben. Dabei im Arbeitsalltag auch bei Kleinigkeiten nicht wegzuschauen erfordert Disziplin und den Mut sich auch solchen Sachverhalten zu stellen, die über das eigene Wissen hinaus gehen.

 

Ihr

Michael Hilpüsch
-Rechtsanwalt –

awoka versicherungsblog
kanzlei@awoka.de
www.awoka.de

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